Zwei gefangene Prinzessinnen in ihren Gärten. Erlösung wird nur durch die Magie der Liebe möglich. Das Theater Hagen spannt jetzt mit zwei Märchen Oper und Ballett zu einem Doppelabend zusammen: Tschaikowskis „Jolanthe“ und Strawinskys „Feuervogel“. Das ist eine bezaubernde Idee, die im Fall von „Jolanthe“ wunderbar aufgeht. […] Das Publikum feiert die Premiere mit viel Beifall teils im Stehen.
„Jolanthe“ gehört zum Spätwerk von Peter I. Tschaikowski, hier setzt er alles ein, was er über das Komponieren weiß; die Partitur blüht in den herrlichsten Farben. Doch es handelt sich um eine Kammeroper, nur anderthalb Stunden lang. Schon bei der Uraufführung wurde sie mit einem Ballett kombiniert, mit Tschaikowskis „Nussknacker“. Die Kürze des Werks ist ein Grund, warum es nur selten gespielt wird.
In Hagen entwirft Bühnenbildnerin Julia Burkhardt einen filigranen Käfig aus Metallstäben, in dem der blinden Prinzessin Jolanthe jede Möglichkeit aus dem Weg geräumt wurde, mit der Realität zusammen zu stoßen. Was von ihrem Vater als Fürsorge gedacht war, schneidet sie in Wahrheit von Erkenntnis und persönlicher Entwicklung ab. Die Raumlösung schafft es, mit schlichten Mitteln gleichzeitig Jolanthes Außenwelt und ihre Innenwelt, ihr reiches Seelenleben, abzubilden. Ein Rundhorizont aus Stoff schirmt die Szene vom Rest der Bühne ab, wo bereits die große Architektur des kommenden Balletts aufgebaut ist und schafft gleichzeitig eine intime und verwunschene Atmosphäre.
„Jolanthe“ ist eine Ensembleoper, und die Hagener Solisten freuen sich, alle zusammen auftreten zu dürfen. Die große gegenseitige Sympathie und Wertschätzung der Sänger untereinander spiegelt sich in einer wunderbaren, dichten und fesselnden Ensembleleistung auf der Bühne. Regisseurin Isabel Ostermann gibt jedem Protagonisten die Luft, in Ruhe und mit Tiefe zu singen, dadurch entstehen großartige Momente: die orientalisch gefärbte Parlando-Arie des Arztes (Insu Hwang), die überbehütende Bevormundung des Königs (Dong-Won Seo) und das Bekenntnis des Herzogs Robert (Kenneth Mattice). Anton Kuzenok ist als Vaudémont ein Ritter mit strahlendem lyrischem Tenor, ein bisschen spitzbübisch und sehr verliebt. Angela Davis macht als Jolanthe eine atemberaubende Lernkurve hörbar, die Sopranistin leuchtet die Ängste, die Traurigkeit, die Sehnsucht und den Schock der Erkenntnis ihrer Prinzessin mit überwältigender Präsenz und Stimmkultur aus; das ist eine große Leistung.
Maestro Rodrigo Tomillo zaubert mit den Hagener Philharmonikern ebenfalls. Er bringt die Wunder von Tschaikowskis Musik zum Klingen. Das Vorspiel zum Beispiel, in dem nur Holzbläser und Hörner ertönen, um die Dunkelheit zu beschreiben, die Jolanthe umgibt. Wenn dann das Licht beschworen wird, hat die Harfe ihren großen Moment. Die Flöte spielt herrlichste Passagen. Musik, Gesang und Bühne verbinden sich bei „Jolanthe“ zu einer märchenhaften Erzählung mit heilsamer Botschaft: Die Liebe kann alles verändern. […]
Monika Willer // Westfalenpost vom 17.02.2025